Die „starke Stimme der Energieeffizienz“
© Marco Urban
Sie setzt sich ein für eine ambitionierte und wirksame Energie(effizienz)politik, gilt als führendes Energiewendenetzwerk in Deutschland: die DENEFF, die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V. Da passt es natürlich perfekt, dass ihr Gründer und Vorstand Christian Noll unser Keynote-Speaker beim VAERING-Event zum Thema „Energieeffizienz“ am 18. November 2025 in Bremen ist. Wir haben vorab mit ihm gesprochen.
Als wir bei Ihnen angefragt haben, was haben Sie gedacht? War sofort klar: Das mache ich?
Christian Noll: Klar habe ich sofort zugesagt. Wir als DENEFF freuen uns über alle, die sagen: Jawohl, Energieeffizienz ist auch uns ein Anliegen.
Energie ist in Deutschland derzeit so teuer wie seit Langem nicht mehr, im internationalen Vergleich haben wir sehr hohe Energiekosten. Noch immer importieren wir über zwei Drittel unserer Energie – das macht uns verwundbar.
Energieeffizienz ist eigentlich der Königsweg, um da herauszukommen. Und das Schöne ist: Die Lösungen gibt es in Deutschland. Deutsche Unternehmen waren immer stark darin, Energie einzusparen und effiziente Nutzungsmöglichkeiten zu entwickeln. Das ist eine Botschaft, die man gar nicht oft genug erzählen kann.
Wird Energieeffizienz unterschätzt? Viele reden ja eher über erneuerbare Energien. Dabei ist eine Einsparung von Energie doch mindestens so logisch.
Genau, der Fokus ist oft woanders – Windparks und Solaranlagen kann man sehen. Dagegen ist natürlich überhaupt nichts einzuwenden, das brauchen wir natürlich alles. Aber wir merken immer wieder, dass bei uns sehr viel Energie verschwendet wird. Und natürlich wäre es wichtig, genau diese Verschwendung zu reduzieren, denn jede Kilowattstunde, die gar nicht erst produziert werden muss, ist natürlich die günstigste und umweltfreundlichste.
Warum machen das viele Unternehmen trotzdem nicht?
Viele sagen: „Unsere Anlagen laufen doch, warum sollten wir sie austauschen?“ Dabei kommt es darauf an, wie alt das Gerät ist. Bei sehr alten Anlagen lohnt sich der Austausch schnell, und zwar sowohl finanziell als auch für die Umwelt, weil der Energieaufwand für die Herstellung rasch eingespart wird.
Gibt es noch andere Gründe?
Bei vielen Unternehmen haben Energiekosten nur einen geringen Anteil an der Kostenstruktur. Darum nutzen Sie z.B. kein Energiemanagementsystem. Und sie wissen oft auch nicht, welche Fördermöglichkeiten es gibt.
Ein weiteres Thema ist Vertrauen: Lasse ich externe Fachleute an meine Prozesse? Kenne ich die? Verstehen sie mein Geschäft? All das sind Hemmnisse, die dazu führen, dass wirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Dabei gibt es viele „low-hanging fruit“, also naheliegende Einsparpotenziale, mit denen man anfangen könnte.
Was sind solche typischen „low-hanging fruit“?
Das sind oft Querschnittstechnologien wie Beleuchtung, elektrische Antriebe oder Druckluft. Hier kann man viel einsparen – mit Maßnahmen, die sich schnell amortisieren und gar nicht so teuer sind.
Zudem rückt aktuell durch die Klimaziele und die gestiegenen Energiepreise die Prozesswärme in den Fokus, also alles, was Unternehmen brauchen, um zu schmelzen, zu verformen oder zu pasteurisieren. Da steckt enormes Einsparpotenzial, und die Maßnahmen sind heute wirtschaftlicher als je zuvor. Es lohnt sich also, noch einmal genauer hinzuschauen.
Können Sie ein paar konkrete Beispiele nennen?
Natürlich. Beleuchtung ist oft der erste Schritt – das nennen wir manchmal die „Einstiegsdroge“, weil man damit schnell sichtbare Erfolge erzielt. Dabei geht es einerseits darum, alte Leuchtmittel gegen LED auszutauschen, vor allem aber auch um intelligente Steuerung – etwa präsenz- oder tageslichtabhängig. Intelligente Steuerung ist übrigens nicht nur bei Licht wichtig, sondern bei vielen Anwendungen wie Wärme, Antrieben und Lüftung.
Bei Druckluft sind es meist Leckagen, die man gar nicht sieht. Abwärmenutzung ist ein riesiges Thema, das früher kaum beachtet wurde. Heute beschäftigen sich viele Unternehmen intensiv damit – und das mit großem Erfolg.
Bei elektrischen Antrieben sind Steuerung und Anpassung an den Bedarf oft die wichtigen Themen. Viele Anlagen sind überdimensioniert. Auch wenn ein Industriemotor noch funktioniert, kann es sich lohnen, ihn auszutauschen – oft sind dadurch Einsparungen von bis zu 80 Prozent möglich, die sich oft in wenigen Monaten amortisieren. Das ist wie beim Kühlschrank zu Hause: Es lohnt sich schnell für die Umwelt und in Bezug auf die Kosten, ganz alte Modelle gegen moderne auszutauschen, weil sie einfach sehr viel weniger verbrauchen. Es gibt also etliche Ansatzpunkte, mit denen man viel Energie einsparen kann.
Oft fehlt ja intern das Know-how und die Zeit. Wie kann man anfangen, wenn man das eigene Unternehmen trotzdem energieeffizienter gestalten will?
Dann kann man interne Kompetenzen aufbauen, Softwarelösungen nutzen oder externe Beratung hinzuziehen. Energiemanagementsysteme lohnen sich ab einem jährlichen Energieverbrauch von etwa einer Gigawattstunde. Kleinere Unternehmen schließen sich häufig Energieeffizienz-Netzwerken an – das ist so etwas wie „Weight Watchers für Energiesparer“. Dort tauschen sich Unternehmen mit ähnlichen Herausforderungen aus, erhalten begleitende Beratung und profitieren voneinander. Das schafft Vertrauen und funktioniert sehr gut. Daneben gibt es viele niedrigschwellige Beratungsangebote, zum Beispiel von Energieagenturen.
Die Erfassung der Verbräuche, also das Monitoring: Ist das ein sinnvoller erster Schritt? Also zu wissen, wo man überhaupt steht?
Absolut. Was ich messen kann, kann ich auch managen. Viele Unternehmen wissen zwar, was auf der Stromrechnung steht, aber nicht, wo genau und wann der Verbrauch entsteht.
Energiemanagementsysteme gehen aber weit über das reine Messen hinaus: Sie helfen, Maßnahmen zu entwickeln, umzusetzen und ihre Wirkung zu kontrollieren. So entsteht ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess. Darüber hinaus geht es auch darum, Verbrauch und Energiebezug besser aufeinander abzustimmen – etwa den Stromverbrauch nach den Marktpreisen zu optimieren. Das alles hängt zusammen und wirkt sich auch positiv auf die Unternehmenskultur aus: Viele Unternehmen binden ihre Mitarbeitenden aktiv ein, etwa über Programme wie „Energiescouts“, bei denen Auszubildende Einsparpotenziale aufdecken. Das schafft Bewusstsein und Motivation.
Vielen Dank!

